Am Wochenende war ich in Berlin. Natürlich habe ich mich schon im Vorhinein in wilde Recherchen zu Weinbars und Weinhandlungen gestürzt – von denen gibt es in Berlin nämlich nicht zu knapp. Wohl auch, weil in und um Berlin so gut wie kein Wein angebaut wird, in Berlin aber doch viele Leute wohnen, die sich gerne mal ein gutes Fläschchen gönnen. Der bunten Weinlandschaft Berlins ebenfalls zuträglich ist der Umstand, dass Berlin doch ein melting pot der Kulturen ist – Frenchies, Amis, SpanierInnen, sie alle kommen nach Berlin, und nehmen ein Stück ihrer heimatlichen Traditionen mit.
Beherbergt waren wir in Neukölln – als eingefleischte Währingerin war ich dort ständig hin- und hergerissen zwischen Begeisterung und Überforderung. Überwogen hat die Begeisterung. Neukölln ist seit einigen Jahren ein Viertel im Um- und Aufbruch: Zwischen Wettbüros und Billigshops ploppen hippe 3rd-Wave-Cafés aus dem Boden, die wirken, als wären sie samt Baristas direkt aus Portland importiert, in den Seitengassen finden sich haufenweise kleine Szenelokale, Schmuddel-Image und Gentrifizierung stehen sich in Neukölln gegenüber. Keine unbekannte, und vor allem keine ganz uneingeschränkt begrüßenswerte, Geschichte. Mal sehen, wie das weitergehen wird. Für mich jedenfalls war Neukölln der ideale Ausgangspunkt für unsere Berliner Weinbar-Erkundungen – drei Neuköllner Weinbars möchte ich euch heute vorstellen! Es sind nicht zufällig drei “Natural Wine”-Bars. Ich bin, das muss ich zugeben, im Moment völlig fasziniert von der Idee von Weinen, die so nahe wie möglich an der Traube dran sind und deren WinzerInnen sich so wenig wie möglich einmischen in den Prozess (daher der Name “low intervention wines“). Jedoch sind alle drei Weinbars sehr unterschiedlich. Here goes:
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“La Malo” – Bar, Bistro und Weinhandlung à la french touch
“Malo” steht kurz für die in Burgund traditionelle, aber mitunter kontrovers diskutierte “fermentation malo-lactique”, auf Deutsch: “malolaktische Gärung”. Sie wird auch als “biologischer Säureabbau” bezeichnet und soll, richtig, Säure im Wein abbauen. Gleichzeitig mit oder nach der Gärung, die Alkohol entstehen lässt, setzen Bakterien einen Säureabbau in Gang und wandeln die in den Trauben natürlich enthaltene Fruchtsäure in Milchsäure um. Bei Rotweinen sorgt “la malo” dafür, dass Tannine, also Gerbstoffe, gut eingebunden werden und der Wein weicher und runder wird; Weißweine erhalten eine samtigere, “fettigere” Textur. Unerwünschter Nebeneffekt: Es kann passieren, dass der Wein nach der “malo” ein bissl zum Käseln anfangt, also nach Jogurt oder Käse schmeckt. Ein sehr passender Name jedenfalls für diese feine Weinbar. Pierre Lejeune, der Kopf und das Herz von “La Malo”, ist bekannt für seine Liebe zum Fermentieren.
Die Reduziertheit der holzlastigen Einrichtung tut der Gemütlichkeit überhaupt keinen Abbruch – ganz im Gegenteil, man sitzt sehr gemütlich in einem ruhigen und wohlig-warmen, hellen Ambiente. Weinflaschen reihen sich hübsch zur Schau gestellt an den Wänden und übernehmen quasi die Dekofunktion. Es gibt eine kleine Auswahl an offenen Weinen, wir haben einen sehr feinen, würzigen und aromatischen “orange wine” getrunken: “Analepse” vom Weingut Les Terres Promises in der Provence. Essen konnten wir leider beim besten Willen nichts, weil wir noch von der Völlerei im JAJA zu gesättigt waren. Das Menü klingt aber auch sehr fein!
Am Wochenende vom 24./25. November veranstaltet Pierre Lejeune in seiner Rolle als Weinhändler bei Des Quilles à Berlin gemeinsam mit Weine Doch in der Brotfabrik Berlin das Naturtrüb Festival #2.
Was darf man sich erwarten: Eine sehr angenehme, entspannte Bar für einen ruhigen Abend bei einem gepflegten Glas Naturwein und feinen Häppchen. Very french und dennoch experimentierfreudig.
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“JAJA Berlin” – ein Juwel im understatement-Look
Zwei Wochen im Vorhinein hatte ich einen Tisch reserviert – eine gute Entscheidung! Am Freitag- und Samstagabend waren tatsächlich alle Tische im JAJA (sprich: Scha-Scha mit brie-weichem j…glaube ich!) ausreserviert! “Walk in customers”, also spontan Hereinstolpernde, sind aber auch willkommen. Sie bekommen, wenn sie Glück haben, ein Platzerl an der Bar, oder können nach einer Wartezeit sogar einen Tisch ergattern.
Wir konnten es uns gleich an unserem Tisch in der Auslage des schummrigen, kleinen Lokals mitten in Neukölln bequem machen. Oh, wenig wussten wir zu dem Zeitpunkt, dass dieser Abend DAS kulinarisch-önologische Highlight des Herbstes (bis jetzt) werden sollte! Das JAJA nennt sich “bar à manger”, also eine Weinbar, in der man auch etwas essen kann. Tapas-style – es wird also empfohlen, pro Tisch je nach Hunger ein paar der angebotenen Speisen zu bestellen und zu teilen. Der Wein, so die Idee, soll dabei im Vordergrund stehen. Das kann ich so nicht bestätigen – bei den Köstlichkeiten, die uns aufgetischt wurden, wäre “durchschnittlicher” Wein völlig in den Hintergrund geraten. Zum Glück gibts im JAJA keine durchschnittlichen Weine, sondern lauter spannende Tropfen!
Nachdem wir zum Apéritif ganz unterschiedliche Weißweine gekostet haben – einen Chenin Blanc aus Katalonien sowie einen Müller-Thurgau – haben wir uns – zu dritt, wohlgemerkt – vier Speisen bestellt, und dazu Rotwein: Côtes du Rhône und Roussillon. Es blieb aber nicht bei diesen vier Tellerchen. Wir haben es tatsächlich geschafft, acht von zehn angebotenen Spiesen zu bestellen und zu essen. Jede einzelne Speise war von herausragender Qualität: Von einem hinreißend buttrigen, gerösteten Karfiol mit schwarzem Knoblauch und Mandeln über ein umwerfendes Tintenfisch-Muschel-Ensemble auf einer flauschigen Focaccia, garniert mit gegrillten Paradeisern und frischem Koriander bis hin zur besten Nachspeise, die ich seit langem gegessen habe: hauchdünne, gegrillte Birnenscheiben auf Vanille-Gewürz-Eis und Blätterteig und einer fulminanten Miso-Karamell-Creme. Ein Hoch auf die Küche von Yailen Diaz!
Die Kellner_innen waren überdies aufmerksam, sympathisch und in Bezug auf ihre Gender-Performance verspielt und völlig ungekünstelt. Wer gerne isst und Wein trinkt, darf sich das JAJA auf keinen Fall entgehen lassen.
Was darf man sich erwarten: Eine unkomplizierte, ungeschnörkselte Weinbar, in der sich fantastische Tapas mit spannenden Weinen wunderbar matchen.
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“Naturales” – fabulous, funky, familiär
Unser letzter Abend in Berlin hat uns einen Stopp in der Naturales-Weinbar beschert. Was für ein Glück. Eine kleine bunte Weinbar, in der man unter den Reflexionen einer Discokugel “mittendrin” sitzt, den Betreibern beim Zubereiten von ihren kleinen Speisen zuschauen und dabei wirklich top natural wines kosten kann. Der Wein-Schwerpunkt liegt auf Spanien, die Tapas sind eine sehr feine Mischung aus spanisch und israelisch und spiegeln somit die heimatlichen Küchen der Betreiber-Gastgeber Pablo und Yoav wieder.
Was den Wein betrifft, so bin ich einem Weingut verfallen: den Bodegas Esencio Rural in Toledo, Spanien. Sowohl der Orange Wine aus Airén-Trauben als auch der Tempranillo der “Pampaneo”-Linie haben mich fast vom Barhocker geworfen. Der Orange hat mich sofort in Sommerurlaubsstimmung katapultiert: trocken, leichter Körper, Orangenschalen und Honig in der Nase, Portwein im Nachhall, funky und ein bisschen exotisch. Der Rotwein war auch eher leicht und trocken, dafür aber herrlich samtig und weich, dunkle Beeren, rote Früchte, Kräuter und Sonne. Wow!
Die Musik hörte sich zunächst an wie eine Playlist meiner Lieblings-DJ Raver Resi, also ein “Feuerwerk der guten Laune”, in ihren Worten, was noch dazu beitrug, dass ich mich gleich wohlühlte. Dann legte Drag Queen La Bambola auf. Das Publikum war bunt gemischt: ein Grüppchen Frenchies (BürokollegInnen?), Freundinnen im Intensiv-Tratsch-Modus, schmusende Heteropärchen, fabulöse Queers in weißen Webpelzmänteln – alle vereint durch natural wines, ist das nicht schön?
Was darf man sich erwarten: Eine funky, gay-friendly Weinbar, in deren familiärer Atmosphäre man sich sofort wohlfühlt und in die Welt der natural wines eintauchen kann.