Die Ganslzeit sorgt für Verunsicherung – es ist nicht ganz klar, wann sie beginnt und wann sie aufhört. In Deutschland kommt der “Gänsebraten” gar erst mitten im Advent auf den Tisch! Im katholischen Österreich findet die Ganslzeit jedenfalls am 11.11. ihren traditionellen Höhepunkt – am Namenstag des Heiligen Martin. Eines kalten Winterabends im 4. Jahrhundert nach Christi traf der gute Martin, zu dem Zeitpunkt noch Soldat in einer römischen Eliteeinheit, vor den Toren Amiens auf einen frierenden Bettler – kurzerhand schnitt Martin mit seinem Schwert seinen Mantel entzwei und gab eine Hälfte dem Bettler. In der Nacht darauf erschien ihm Christus in Gestalt des Bettlers, wie um ihm zu sagen: “Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan.”
Martin schied dann nach einigem Hin und Her mit seinem Vorgesetzten aus dem Militärdienst aus, wurde Priester und gründete das erste Kloster in Gallien. Dort wirkte er dann so vor sich hin und wurde rasch beliebter, als ihm vorgeschwebt ist. So kam es, dass in Tours ein neuer Bischof gesucht wurde und prompt alles “Martin, Martin” rief und ihn wählte, ohne, dass er sich zur Bischofswahl aufstellen hätte lassen (eigenartige Wahlordung, aber bitte). Martin wollte aber partout nicht und, so will es die Legende, versteckte sich vor seinen Fans im Gänsestall. Die Gänse allerdings schnatterten fröhlich und aufgeregt drauf los und sein Versteck wurde aufgespürt. Die traditionelle “Martinigans” ist also eigentlich ein jährlicher Racheakt an den verräterischen Gänsen. Irgendwie arg.
Also gut – bei uns gibt es Gansl mit Rotkraut (Rezept aus der Guten Küche, woher sonst) und Knödelfüllung mit Maroni und den angerösteten Gänseinnereien. Eine ordentlich deftige Angelegenheit, die eine kräftige önologische Begleitung mit genug Säure und Gerbstoffen (aka Tanninen) braucht, um neben ihr nicht unterzugehen. Ich empfehle zu Gansl mit Rotkraut also folgende Weine:
1. Solide: Blaufränkisch
Ich hab grad eine Blaufränkisch-Phase, ich geb es zu. Da trifft es sich gut, dass der Blaufränkisch als klassische, zuverlässige Begleitung zu Gans gehandlet wird: Weil bei ihm die Frucht im Vordergrund steht – kirschig, beerig, eventuell weichslig…herrlich! Je nachdem, ob man selbst ein bisschen wild sein und sich über klassische Sommeliertipps hinwegsetzen möchte, oder ob man auf Nummer Sicher gehen möchte, kann man zu einem jungen, wilder Blaufränkisch greifen, wo die Gerbstoffe noch ziemlich ungebremst daherkommen, oder zu einem gesetzteren, älteren Exemplar, wo die Gerbstoffe abgerundet sind und man sich ganz auf die Fruchtaromen freuen kann.
zB von Groszer Wein
2. Funky: Roesler
Roesler polarisiert. Der Roesler ist eine Kreuzung aus Zweigelt und Blaufränkisch, die wegen ihrer teils irre dunklen Farbe gern für Cuvées verwendet wird. Die Wurzeln sind pilzwiderständig “”piwi”) und damit robuster als die Wurzeln der meisten anderen Rebsorten. Manchen ist der Roesler pur suspekt – ich finde ihn spannend. Und an einem feuchtlerten, finsteren Herbstabend, zu einem Stückl fettem Gänsebraten und saftig-würzigem Rotkraut schaut so ein dunkeldunkler Rotwein im Glas nicht nur super aus, sondern macht auch sicher Spaß als Speisenbegleitung.
zB von F. Kohl (Vulkanland Steiermark)
3. Fancy: Pinot Noir
Ja, ihr habt mich durchschaut, “fancy” ist bei mir oft gleichzusetzen mit Pinot Noir. Oft, aber nicht immer! Zur Gans passt ein Pinot Noir deshalb, weil bei ihm die Frucht so betont ist – Brombeeren, Erdbeeren, das kann alles dabei sein! Außerdem hat er so was verspielt Blumiges und leicht Würziges, je nachdem ein bissi Vanille oder Röstaromen von den Holzfässern, das gut zu einer Gans passen kann – vielleicht aber eher zum Gansl-Sandwich in den Tagen nach dem Festessen als zum Gänsebraten selbst.
zB als Rotwein vom Weingut Faber-Köchl (Weinviertel) oder als „funky“ Rosé ausgebaut vom Herrenhof Lamprecht (Oststeiermark)
4. Risqué: Beaujolais (Gamay)
Ja eh, der Beaujolais wird gehypt, ja eh, vielleicht nicht immer zu recht. Ja, Gansl mag angeblich keine zu jungen, “ruppigen” Tannine. ABER! Beaujolais ist halt schon was gans (ha, ha) Besonderes und bitte, kann es ein Zufall sein, dass der “Beaujolais Nouveau” ausgerechnet zur Ganslzeit in die Gläser kommt? Und dass der Heilige Martin in Frankreich gelebt und gewirkt hat? Je ne pense pas. Das Beaujolais liegt nördlich von Lyon und ist ein Teil der Burgund – hier werden aber nur Gamay-Trauben angebaut (überall sonst in der Burgund ja eigentlich nur Pinot Noir). Der Beaujolais wird ganz jung getrunken, der “Beaujolais Nouveau” ist ein heuriger Wein. Er ist oft leicht (weil er halt auch noch so jung ist!) und immer frisch-fruchtig und mit einer angenehmen Säure. Zu einer Gans würde ich einen dichten, kräftigen Beaujolais suchen, die gibts nämlich auch, zB diesen “vin artisanal” aus biologischer Landwirtschaft, ganz naturnah ausgebaut:
Beaujolais Pure Oh!Rigine 2016 – Les Bertrand
5. Klassisch: Weißburgunder
Für alle, die partout keinen Rotwein trinken wollen und auch alle, die nach rotweinreichen ersten Herbstwochen wieder mal Lust auf was Weißes haben, sei zur Gans der Weißburgunder (Pinot Blanc) empfohlen. Weißburgunder sind ja sowieso super, finde ich, und sie haben neben einer Gans die nötige Ruhe und Sattheit, um nicht gleich zu verpuffen. Fruchtig, ja, aber auch richtige Gaumenschmeichler. Wenn sie schon recht reif sind, haben sie manchmal etwas Nussiges oder Brotiges im Geschmack.
zB von Karo Gut am See (Burgenland)
Ein Tipp ganz generell: Gerbstoffe (Tannine) helfen angeblich dabei, ein so fettes Essen wie Gansl gut zu verdauen. In diesem Sinne: Wohl bekomms!