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Naturwein ist in aller Munde. Zum Glück, sage ich! Aber: Was ist eigentlich “Naturwein”, wer darf das bestimmen und warum ist der Begriff so aufgeladen!? Versuchen wir es mit einer sanften Entwurschtelung und pflücken diesen Themenkomplex Begriff für Begriff auseinander! Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, versuche vielmehr überblicksartig die wichtigsten Begriffe darzustellen. Also let’s go:

“Naturwein”

International auch bekannt als: raw wine, naked wine, vino nudo, vin artisanal.

Der Begriff “Naturwein” ist in Österreich in der sogenannten “Weinbezeichnungs-Verordnung” des BMLRT erwähnt. In ihrem § 1 Abs 9 sagt sie klipp und klar: “Angaben wie „Naturwein“ sind bei sämtlichen Weinen nicht zulässig”. Daher findet sich in der österreichischen Rechtsordnung auch keine Definition, keine Richtlinien oder festgesetzten Kriterien, die ein “Naturwein” erfüllen muss. Theoretisch darf also jeder und jede den eigenen Wein als “Naturwein” bezeichnen.

Interessanterweise ist die Bezeichnung “natural wine” für gewisse Weine zulässig; Landweine, nämlich, außerdem Wein mit Angabe von Rebsorten und Jahrgang und ohne nähere Herkunftsbezeichnung als Österreich sowie Weine ohne Angabe von Rebsorten und Jahrgang und ohne nähere Herkunftsbezeichnung als Österreich (uff!), die aus biologischer Landwirtschaft stammen. Wenn der Wein nicht biologisch produziert ist, darf er “Orangewein” oder “orange wine” heißen. Bei all diesen Weinen ist eine Trübung und eine oxidative Note nicht als Weinfehler anzusehen, laut Weinbezeichnungsverordnung. Klingt alles kompliziert, der Sukkus ist: Wenn natural wine draufsteht, darf keine Ortsbezeichnung, die enger ist als “Österreich”, drauf stehen; Rebsorte und Jahrgang dürfen draufstehen, müssen aber nicht.

Viel mehr verrät uns das aber auch nicht über die Qualität von “natural wine” oder “Naturwein”. Trotzdem kann man die allgemeine Feststellung treffen, dass die Idee von Naturwein ist, den Wein in seiner Wein-Werdung (vom Weingarten bis in den Keller) so wenig wie möglich zu beeinflussen und zu “schönen”. Was das konkret heißt? Nach vielen Gesprächen mit und Besuchen bei Winzer_innen, Weinhändler_innen und Recherche bei Weinexpert_innen sind für mich diese drei Kriterien ausschlaggebend für Naturwein:

  1. biologische oder biodynamische Landwirtschaft im Weingarten und -keller (was das ist: siehe unten)
  2. keine Verwendung von Zusatzstoffen außer Schwefel*
  3. möglichst wenig Eingriffe im Weinkeller

*Was den Schwefel betrifft, scheiden sich aber schon wieder die Geister – manche “Naturwein”-Produzent_innen finden es ok, eine geringe Menge Schwefel zu verwenden (wofür der gut ist: siehe unten), andere lehnen das kategorisch ab.

Soweit so gut. Aber jetzt wirds verwirrend: Manche Winzer_innen erfüllen zwar sehr wohl die oben genannten Kriterien, bezeichnen ihren Wein aber nicht als Naturwein, weil sie den Begriff ablehnen (ja eh – jeder Wein ist menschgemachtes “Kulturprodukt”) oder sich nicht eingrenzen (lassen) wollen. Andere Winzer_innen erfüllen diese Kriterien nicht, aber nennen ihren Wein “Naturwein”, zumeist aus Marketing-Gründen.

Woher weiß ich also, dass der Wein mit dem feschen Etikett ein “echter Naturwein” im Sinne der oben genannten Kriterien ist? Ob der Betrieb biologisch oder biodynamisch landwirtschaftet, lässt sich noch recht leicht überprüfen; was die Zusatzstoffe und die Kellerarbeit betrifft, bleibt letztlich das Vertrauen in den Winzer oder die Weinhändlerin.

Biologische Landwirtschaft

Auch: ökologische Landwirtschaft.

Bezeichnet die umweltfreundliche und artgerechte Herstellung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Pflanzen, Milch oder Fleisch. Das Grundprinzip der biologischen Landwirtschaft ist die Kreislaufwirtschaft – innerhalb einer solchen soll der Wert von Produkten, Stoffen und Ressourcen so lange wie möglich erhalten und möglichst wenig Abfall erzeugt werden.

Ein landwirtschaftlicher Betrieb kann sich zertifizieren lassen – in Österreich geht das entweder bei der AMA oder bei der BIO Austria, deren Kriterien teils über die der AMA hinausgehen. Die Zertifizierungs-Stellen kontrollieren die Betriebe jährlich. Innerhalb der EU müssen biologisch zertifizierte Produkte das Bio-Logo der EU tragen.

Kriterien für biologische/ökologische Landwirtschaft sind jedenfalls:

  • Natürliche Düngung mit Kompost, Tiermist, Pflanzenresten, Gründüngung (zB. Leguminosen), Verbot chemisch-synthetischer Stickstoffdünger und leichtlöslicher Phosphate
  • Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Vorbeugung und Reduktion des Auftretens von Schädlingen und Krankheiten wie Standort- und Sortenwahl, Fruchtfolge (bei Wein nicht möglich) etc.
  • Förderung der funktionellen Biodiversität durch Nützlingsförderung, Anlage von Nützlingsstreifen etc.
  • direkte Maßnahmen wie Pflanzenschutzmittel, aber:
    • Verbot von Pestiziden (chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel) und Herbiziden
  • Artgerechte Tierhaltung mit großen Stallflächen, Einstreu und Auslauf
  • Biologisch erzeugtes Futter ohne Antibiotika und Hormone, kein Gensoja, kein Tiermehl  
  • Bei der Verarbeitung von Biolebensmitteln ist nur ein kleiner Teil der in Österreich zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe erlaubt, gänzliches Verbot von Konservierungsstoffen, Farbstoffen oder künstlichen Aromen
  • Gentechnikfreiheit beim Saatgut, bei den Futtermitteln und bei der Verarbeitung

Biodynamie & biologisch-dynamische Landwirtschaft

Die “Biodynamie” beruht auf insgesamt acht Vorträgen aus dem Jahr 1924 des Esoterikers Rudolf Steiner zu seinen landwirtschaftlichen Ideen. 

Bei der biologisch-dynamischen bzw. biodynamischen Landwirtschaft wird jeder landwirtschaftliche Betrieb, jeder Hof, individuell betrachtet. Die spezifischen Standortbedingungen, die Landschaft, die unterschiedlichen Tiere und auch Menschen spielen für die biodynamische Landwirtschaft eine wesentliche Rolle. Wie bei der biologischen/ökologischen Landwirtschaft wird ein weitgehend geschlossener Betriebskreislauf angestrebt.

Auch biodynamische Betriebe können sich zertifizieren lassen, und zwar bei demeter.

Zunächst lässt sich sagen, dass die biodynamische Landwirtschaft durch strengere Kriterien insbesondere im artgerechten Umgang mit Tieren “noch weiter” geht als die biologische Landwirtschaft. So dürfen etwa Bienen frei schwärmen und Kühe dürfen nicht enthornt werden. Dazu gesellen sich biodynamische Methoden wie der Einsatz von sogenannten Präparaten (bspw. spezifisch hergestellter Brennesseltee oder der berühmte zunächst in Kuhhörnern vergrabene Kuhmist) 

Der größte Unterschied ist aber wohl, dass die Biodynamie von der Grundidee her Ausdruck einer esoterisch-spirituellen Weltanschauung ist. Es geht um die Beziehungen des Menschen zur Natur, zu seiner Umwelt, zu den Tieren, zum Kosmos und letztlich auch zu sich selbst. Je nach Typ des Bauern oder der Bäuerin wird diese biodynamische Grundidee des “everything is connected” unterschiedlich stark gelebt und/oder nach außen getragen.

Wer sich in das Thema vertiefen mag, wird reichlich Literatur dazu finden – man kann auch immer auf der Homepage der in den USA basierten, versierten Weinjournalistin, Biodynamie-Expertin (und Namensschwester) Valerie Kathawala vorbeischauen. Dort verlinkt sie viele ihrer Artikel, zB dieses Interview mit Winzerin Deirdre Heekin (La Garagista): “Digging into Biodynamics“.

Weingärten von Tunia Wines

Zusatzstoffe

Wein gilt im EU-Recht als Genussmittel, nicht als Lebensmittel – daher müssen keine Zusatzstoffe auf dem Etikett angegeben werden. Mit Ausnahme von Schwefel (wegen der Allergien auf Schwefelverbindungen – siehe unten) – wohl auch ein Grund, warum sich hier die Geister so erhitzen! 

Eins ist jedenfalls klar – “konventioneller Wein” besteht selten nur aus Trauben. In der EU sind über 50 Zusatzstoffe zugelassen – nachzulesen in der EU-Verordnung 606/2009. Da finden sich “natürlich” klingende Stoffe wie Hühnereiweiß, Asche von Rindern, Fischgelatine, gummi arabicum und natürlich Rübenzucker – aber auch haufenweise E-Nummern, die Stoffe wie Carboxymethylcellulose und Dimethyldicarbonat bezeichnen. Ausgewiesen sind die alle nicht. Wer sich näher dafür interessiert, dem/der empfehle ich die Lektüre dieses Effilee-Artikels.

Für Weine aus zertifiziert ökologischem Anbau ist die Liste der erlaubten Stoffe kürzer – aber Zusatzstoffe sind auch hier erlaubt.

Schwefel/Sulfur

“To schwefel or not to schwefel” ist eine Frage, die die Weinszene spaltet. Vorweg gesagt: Schwefel findet sich auf Traubenschalen, entsteht bei der Gärung oder wird separat zugesetzt (im Fermentationsprozess oder bei der Abfüllung). Es gibt also keinen “schwefelfreien” Wein – sehr wohl aber “ungeschwefelten” Wein. 

Was bewirkt aber Schwefel überhaupt? Verkürzt gesagt – er schützt das Traubenmaterial bzw. den Most, und zwar vor Oxidation und – in Zusammenspiel mit dem pH-Wert vor mikrobiologischen Prozessen (Bakterien, die sich dann ausbreiten), die man (meistens) nicht möchte, weil sie den Geschmack und Geruch stark beeinflussen. Als Schutz oder Kontrollfaktor wird er durchaus schon bei der Weinbereitung eingesetzt, etwa nach der Lese oder während der Gärung. Als Konservierungsmittel (Schutz vor Oxidation) bei der Abfüllung, teils in minimalen Mengen. Winzer_innen, die “low intervention” betreiben wollen, also minimale Intervention, werden eher darauf achten, keinen Schwefel bei der Weinbereitung zu verwenden, bei der Abfüllung gibt es aber durchaus auch ökologisch arbeitende Naturwinzer_innen, die sicherheitshalber eine kleine Menge Schwefel zusetzen. Wenn das Traubenmaterial mit Hand geerntet wurde, gesund ist und einen optimalen pH-Wert hat, alle fauligen Trauben aussortiert werden und im Keller dann pingeligst sauber gearbeitet wird, braucht es überhaupt keinen extra zugesetzten Schwefel.

Schwefelverbindungen (im Wein wäre das Sulfit – Schwefeldioxid) können Allergien auslösen, daher besteht seit 2005 in der EU eine Kennzeichnungspflicht am Etikett bei mehr als zehn Milligramm Sulfitgehalt pro Liter.

Nachhaltigkeit

Wörtlich: wirksam, lang wirkend. Ein schöner Begriff, der nach Verantwortung klingt, nach grünen Wiesen und einer guten Zukunft. Ein Begriff, der in Zeiten der Klimakatastrophe von mitunter überraschenden Seiten inflationär verwendet wird. Auf den Weinbau und die Weinherstellung bezogen heißt es aber eigentlich nicht viel; mag schon sein, dass manche, die diesen Begriff für sich beanspruchen, tatsächlich committed sind, so zu landwirtschaften, dass die Umwelt, die Pflanzen, die Landwirtschaft “lang wirkend” erhalten bleiben. Warum dann aber nicht gleich biologisch, oder in Umstellung? Vielerorts ist “Nachhaltigkeit” aus meiner Sicht nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Dazu, bzw. genauer: zum Label “Nachhaltgikeit Austria, hat Juliane Fischer schon 2015 mal sehr kluge Dinge geschrieben: “Für mich ist Nachhaltigkeit eine Geisteshaltung, eine Denkart. Jemand der noch immer Profit und Masse als oberste Priorität sieht, jemand, der um Schädlinge zu bekämpfen, Nützlinge gleich mitvernichtet und den Boden zerstört, der kann nur bedingt nachhaltig handeln.”

Merke: Wo Nachhaltigkeit draufsteht, ist noch lang nicht automatisch “bio” drin.

Orangewein

Wird, haha, nicht aus Orangen gemacht. Im Grunde ist Orange Wine ein Wein aus weißen Trauben, der so verarbeitet wird, wie traditionellerweise Rotwein verarbeitet wird – Weißwein nach Rotwein-Methode. Sprich: Die Trauben werden angepresst, aber dann noch mit der sogenannten “Maische” (Schalen, Kerne, Stengel..) stehen gelassen (ein paar Stunden, Tage, Wochen – das entscheidet der/die Winzer/in). Dadurch geben insb. die Schalen Farbstoffe ab und der Saft wird dünkler – dunkelgelb, orange, teilweise sogar pink. Dann erst wird der Wein weitervergoren. Üblicherweise werden die Trauben bei der Weißweinherstellung nämlich gleich abgepresst und der helle Saft zu Wein vergoren, ohne den sogenannten “skin contact” bzw. “Maischegärung”.

Nota bene: Orangewein ist nicht automatisch Naturwein. Es sagt nichts aus über die Arbeit im Weingarten (biologisch/”konventionell”) und auch nicht über die Arbeit im Keller (Zusatzstoffe/keine bzw. wenig Zusatzstoffe). Niemand kann einen großen, industriellen, zusatzstoffaffinen Produzenten davon abhalten, aboard the orange wine train zu springen und einen Orangewein herzustellen. Tatsächlich gibts aber eine gewisse Überschneidungsmenge – viele Naturwinzer_innen haben maischevergorene Weißweine, also Orangeweine, im Programm. Ich hab mich dazu auch mal auf dem “Orange Wine” Festival im Wiener Museumsquartier umgehört – seht hier!

Pet-Nat (pétillant naturel)

“pétillant naturel” heißt: natürlicher Sprudel. Damit ist schon gesagt, worum es gehen soll: einen naturbelassenen, schäumenden Wein. Der gärende Traubensaft aka Most wird in die Flasche gefüllt, diese wird zugemacht. Dort vergärt er fertig, sprich: die Hefekulturen arbeiten so lange, bis kein Zucker mehr aufgegessen werden kann. Somit gibt es nur eine Gärung – bei einem Sekt/Champagner wird ein fertiger Wein ein zweites Mal fermentiert durch Zusatz von Hefe. In der Flasche entsteht dann durch die Fermentation Kohlensäure und damit ordentlich Druck. Jede Flasche kann unterschiedlich stark prickeln, je nachdem, wie gärig der Most zum Zeitpunkt des Umfüllens war. Die abgestorbenen Hefezellen bleiben als trüber Satz (“Hefedepot”) zurück. Manche Winzer_innen öffnen die Flaschen, um dieses Depot zu entfernen (das nennt man “Degorgieren“) – nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern auch aus Sicherheitsgründen, damit es die Flasche nicht zerreißt.

PiWi (pilzwiderständige Rebsorten)

Am Rande seien auch noch die sogenannten PiWi-Sorten erwähnt – pilzwiderständige Rebsorten. Pilzkrankheiten sind eine große Herausforderung im Weinbau. PiWi Weine allerdings sind robuster als die gängigen Rebsorten der Gattung Vitis Vinifera (alles von Albarino bis Zweigelt) und benötigen kaum bis gar kein Pflanzenschutzmittel gegen Pilzkrankheiten (Fungizide), sind also durchaus ein Treiber für ökologische Landwirtschaft oder zumindest umweltschonendere Methoden. Sie sind allesamt Neuzüchtungen – ursprünglich sind sie aus Kreuzungen zwischen der vitis vinifera und anderen Pflanzen der Gattung vitis entstanden. Sie tragen klingende Namen wie “Solaris”, “Muscaris” oder “Souvignier Gris”.