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Uhudler: Irgendwie verrucht, irgendwie Kopfweh, irgendwie exotisch. Jedenfalls ungewohnt. Ungefähr so waren meine Assoziationen bis vor kurzem noch, wenn ich das Wort “Uhudler” hörte. Als die Falkensteiner Hotels (“Welcome home!”) dann auf mich zugekommen sind, um mich in ihr Balance Resort Stegersbach im Südburgenland einzuladen, damit ich dort an einer Uhudler-Verkostung teilnehmen kann, habe ich also ohne zu zögern zugesagt – was gibt’s Spannenderes, als die eigenen Vorstellungen und womöglich sogar Vorurteile zu überprüfen!? Ok, womöglich war auch die Aussicht, drei Tage lang inmitten hügelig-herrlicher Herbstlandschaft zu verbringen, im Whirlpool zu dümpeln und in der Sauna zu schwitzen, und mich abends kulinarischen Genüssen hinzugeben, ein Faktor – aber eben nur einer!

Also – nachdem ich zwei Tage lang so ziemlich genau das oben Beschriebene gemacht habe – gedümpelt, geschwitzt, gegessen, und von vorne – war es soweit: Der Food&Beverage-Manager des Hotels, Manfred Gölles, selbst gebürtiger Südburgenländer, hat mich – ich war zu dem Zeitpunkt völlig tiefenentspannt – auf eine exklusive Reise durch die Welt des Uhudlers mitgenommen – dabei habe ich nicht nur vier verschiedene Uhudlerprodukte verkostet, sondern auch so Einiges über dieses Phänomen erfahren. Zusätzlich zu meiner im Vor- und Nachhinein angefertigten Recherche, versteht sich.

Bei der Uhudler-Verkostung in Stegersbach

Isabelle, Elvira, Ripatella, …

Wo anfangen!? Uhudler ist keine Rebsorte, sondern stets eine Cuvée aus über 30 verschiedenen Rebsorten, die allesamt klingende Namen tragen wie Isabelle, Ribatella, Concord oder Elvira. Und jedes Jahr kommen neue Kreuzungen dazu! Ist das nicht unglaublich? Und: Allesamt sind sie sogenannte “Direktträger” oder “wurzelecht” – das heißt, dass es Rebstöcke sind, die auf ihren eigenen Wurzeln wachsen. So, und jetzt ein kurzer Exkurs: Ihr kennt die vielbesungene Reblaus? Diese hat den europäischen Kontinent Ende des 19. Jahrhunderts heimgesucht und so ziemlich die gesamten Weingärten vernichtet, in ihrer Gier. Das hat dazu geführt, dass die alten Rebsorten – also, alles was man so kennt: Veltliner, Zierfandler, Blaufränkisch… – auf reblausresistente Unterlagswurzeln aufgepropft wurden. Das nennt man “Veredelung“. So konnten die alten europäischen Rebsorten erhalten werden. Ok und welche Unterlagswurzeln waren jetzt reblausresistent? Jene US-amerikanischer Rebsorten – wie die oben genannten! Und hier schließt sich der Kreis. Der Uhudler ist also eine Cuvée aus Rebsorten, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Österreich gelangt sind und nicht nur als Unterlage gedient haben, sondern die man selbstständig ausgepflanzt hat – und nach wie vor auspflanzt. Sie sind unglaublich robust, und brauchen kaum bis keinen Pflanzenschutz!

„Die spezifischen Giftwirkungen sind: Zornexzesse bei Männer, Hysterie bei Frauen, Neigung zu Halluzinationen, geistige und körperliche Degenerationserscheinungen bei Kindern (…)“ und „dass Leute, die regelmäßig Noahwein (ein Uhudler-Weißwein) trinken, eine fahle, blasse Gesichtsfarbe bekommen, am ganzen Körper zittern und dahinsiechen, während Bauern mit veredelten Weingärten kinderreiche Familien haben, gesund und arbeitssam sind (…)“.

Zweigelt, Fritz: ” Die Direktträger. Hybrides producteurs directs”, Weinland Verlag, Wien 1929

Fritz Zweigelt, (Botaniker, Direktor der Weinschule Klosterneuburg, Forscher, Nationalsozialist) über den ich schon mal geschrieben habe, hat die Weingesetzgebung in Österreich maßgeblich geprägt. Er experimentierte zwar selbst mit neuen “Hybriden”, setzte sich aber vehement gegen alte Driektträger ein. Mit der Entwicklung im 20. Jahrhundert in Bezug auf den Uhudler wäre er wohl halbwegs zufrieden: Uhudler ist eigentlich verboten. Hier eine kurze Chronologie (Quelle: Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus)

  • 1929: gesetzliche Kennzeichnungspflicht (wegen Überschüssen und Preisverfall)
  • 1936: Auspflanzungsverbot für Direktträgerweine
  • 1937: Verbot von Weinverschnitten mit Erzeugnissen aus Direktträgerreben
  • 1946: Rodungserlass – nur 25% der Uhudlerfläche blieben verschont
  • 1961: Verkehrsverbot (also: kein Ausschank, kein Verkauf) von Direktträgerweine und Beschränkung, ihn nur mehr als “Haustrunk” zu verwenden
  • 1971: Gesetzliche Obergrenze für den Haustrunk “Uhudler” auf 400 Liter pro Kopf/Jahr
  • 1985: Enorme Verschärfung des Weingesetzes (Stichwort: Weinskandal), der Begriff des “Haustrunks” wird aus dem Weingesetz genommen, Uhudler ist damit verboten
  • 1987: Gründung des Vereins der Freunde des Uhudlers
  • 1989: Wort-Bild-Marke “Uhudler” beim Patentamt angemeldet
  • 1992: “Uhudler” wird 1992 wieder in das Weingesetz aufgenommen, Verkehrsverbot wird aufgehoben
  • 1992: 7 Direktträgersorten (Ripatella, Delaware, Concordia, Elvira, Noah, Isabella und Othello) werden in der Burgenländischen Rebsortenverordnung zugelassen
  • 1995: EU-Sortenverordnung stuft Ripatella, Delaware, Concordia und Elvira als “vorübergehend zugelassene Rebsorten” ein
  • 2003: Diese Sorten gelten laut Burgenländischer Weinbauverordnung, Landesgesetzblatt Nr.25/2003, bis 31.12.2030 als “vorübergehend zugelassene Rebsorten”
  • 2030: Die Weinbauverordnung läuft aus – eventuell Produktionsverbot für Uhudler?

Ganz schön wild, finde ich! Wer genauer in die Untiefen der Uhudler-Geschichte eintauchen möchte und sich dafür interessiert, wieso man Uhudler verboten hat, und was dafür sprechen würde, dieses Verbot endgültig aus der Welt zu schaffen, dem und der empfehle ich von Herzen eine ARCHE-NOAH-Studie namens “Verbotene Früchte. Das erstaunliche Schicksal von Noah, Othello, Isabelle, Jacquez, Clinton und Herbemontaus dem Jahr 2017. ARCHE NOAH ist laut Selbstbeschreibung ein Verein zur Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt, der 1990 gegründet wurde, heute mehr als 14.000 Mitglieder hat und politische Prozesse mit Auswirkungen auf die Pflanzenvielfalt aktiv beobachtet. Die Studie arbeitet fundiert und pointiert heraus, wieso das Uhudler-Verbot sachlich nicht haltbar und somit ungerechtfertigt ist und inwiefern der Uhudler einen wertvollen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit – am Arbeitsmarkt, im Tourismus, und natürlich für die Umwelt – leisten könnte. Uhudler ist also weit mehr als eine lustige regionale Spezialität: Er ist ein Politikum. 2030 wird sich zeigen, wie damit umgegangen wird.

In Österreich würde beispielsweise ein längst fälliges Gesetz über so genannte „Direktträgersorten“ das Weiterbestehen des Uhudlers garantieren. Es würde seine wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung für das Burgenland anerkennen und befördern und die Weinbauern und Weinbäuerinnen aus Unsicherheit und Illegalität befreien.

Arche Noah: “Verbotene Früchte. Das erstaunliche Schicksal von Noah, Othello, Isabelle, Jacquez, Clinton und Herbemont”, Brüssel und Wien, 2017

Ausgepflanzt hat man diese Sorten vor allem im Südburgenland und der angrenzenden Steiermark. Das Südburgenland ist ein ziemlich kleines Weingebiet, und ziemlich zerspragelt – hier findet sich mal hier, mal dort ein Fleckerl Weingarten, nicht weinviertel-style großflächig. Übrigens: Uhudler ist so robust, dass er, wenn man Gölles glaubt, every winemaker’s darling ist: Sie müssen eigentlich nix machen, der tut von alleine. Bio also? Wenn man “bio” allein übers Spritzen definiert, dann schon. Uhudler-Rebsorten werden nicht gespritzt – so dass Weingüter, die eigentlich nicht-bio arbeiten und durchaus bereit wären, zu spritzen, ihre Weingärten, wo die Uhudler-Sorten wachsen, nicht spritzen. Schön, finde ich. Fast subversiv.

Als “Uhudler” dürfen die Weine aus den genannten Rebsorten wie bereits erwähnt nur in acht burgenländischen Mitglieds-Gemeinden des Vereins der Freunde des Uhudler vermarktet werden. Um die Qualität zu sichern, werden die Uhudler-Weine jährlich von einer Kostkommission, die zu 50 % aus Vereinsmitgliedern und zu 50 % aus externen Fachleuten besteht, auf Sortencharakter, Reintönigkeit und Sauberkeit geprüft. Die eingereichten Proben werden auch chemisch auf ihre Inhaltsstoffe analysiert. Die Weine, die die Prüfung bestehen, dürfen das gleiche Retro-Label tragen. Diese kenne sogar ich als Wienerin – seit ich Weinregale wahrnehme, also schon ein Zeitl, gibts dieses Etikett! Zu verdanken ist diese Einheitlichkeit wohl auch demIn der Steiermark müssen die Winzer_innen kreativ sein, so findet man dort Bezeichnungen wie “Urwein” auf den Etiketten. Übrigens ist die Rebsorte “Isabelle” vor allem in der Steiermark daheim – sehr passend, weil auf steirisch heißts dann schön “d’Isaböön”. Traditionell nennen die Steirer_innen den Uhudler auch “Heckenklescher“. Nach zu viel Uhudler-Genuss gerate man ins Schwanken – und “klesche gegen die Hecke”…

“Der Ursprung von Uhudler? Man wollte einen Spritzwein.”

Gut, jetzt wissen wir viel über die turbulente Geschichte des Uhudlers – aber wie schmeckt jetzt so ein Uhudler!? Wer schon mal einen im Glas hatte, hat bestimmt den Geruch in Erinnerung: hocharomatisch (das heißt: er duftet wirklich stark), extrem intensiv, Waldbeeren, Ribisel if you want, mitunter fast schon stechend süß. Kein Wunder, dass Wespen so auf das Zeug abfahren! Im Geschmack bleibt eigentlich kaum was Süßes (außer er ist aufgezuckert, obviously), sondern viel Säure und eine fast schon erstaunliche Frische. Die Farbe kann knallig pink sein. Also eigentlich ideale Voraussetzungen für einen Spritzer: Er duftet bestimmt auch gespritzt noch, die Säure sorgt für die nötige G’schmackigkeit, und die Farbe ist vermutlich gespritzt ziemlich hübschi (habt ihr mein YouTube-Video zum Thema Spritzer schon gesehen?)! Und Gölles bestätigt meine Vermutung: Man wollte einen Spritzwein, easy-drinking, in rauen Mengen. Willkommen im Südburgenland!

“Uhudler ist kein Trend.”

Glaubt man Gölles, so ist die Nachfrage nach Uhudler enorm. Alle Seminargruppen, alle Gäste, wollen Uhudler. Uhudler, der crowd pleaser! Logisch, eigentlich, weil grad in Österreich steht man sehr auf regionale Spezialitäten, und möchte immer gleich das “Hiesige” kosten, oder? Auch die Arche Noah-Studie bestätigt das: “In Österreich gibt es Touristen, die nur ins Südburgenland reisen, um den berühmten Uhudler zu verkosten.” (S. 52). Zwei Drittel der Burgenland-Besucher_innen verbinden laut der Studie ihren Besuch mit einer Uhudler-Verkostung! Gölles selbst kriegt übrigens ein Leuchten in den Augen, wenn er über Uhudler und die Bedeutung des Uhudlers spricht. Er meint, Uhudler sei immer schon da gewesen, und den Geruch kenne man einfach schon seit seit immer. Als ich frage, ob also gewisse Nostalgie-Gefühle eine Rolle spielen, bejaht er dies: “Sicher. Uhudler ist kein Trend. Der war immer schon da.

Uhudler ist typischerweise knallig pink bis hellrot