Zweigelt! Die meistangebaute Rotwein-Rebsorte des Landes. In vielen Wirtshäusern, Restaurants und Bars gibts einen Zweigelt als Schankwein. Vielen Leuten ist der Zweigelt aber “zu fett” oder “zu üppig” und sie greifen lieber zu einem anderen Rotwein. Ich glaube ja, dass die Unbeliebtheit, die dem Zweigelt – meiner Meinung nach zu Unrecht – oft widerfährt, darauf zurückzuführen ist, dass er eben in großen Mengen, wenig achtsam und lieblos produziert wird. Als billigen Schankwein halt.
Der Namensgeber
Dass Prof. Dr. Friedrich “Fritz” Zweigelt, der in den 1920er Jahren in Klosterneuburg Blaufränkisch und St. Laurent zu einer neuen Rebsorte, die er “Rotburger” nannte, gekreuzt hat, ein bekennender Anhänger des Nationalsozialismus war (seit 1933 NSDAP-Mitglied), habe ich auch erst kürzlich erfahren. Das ist, fürchte ich, nicht der Grund für die verbreitete Unbeliebtheit des Weins. Nicht in Österreich, wo der Nationalsozialismus bis heute gesellschaftlich, sagen wir mal: ungut, nachwirkt und wo Aufarbeitung schleppend und im Tempo zwei Schritte vor – einer zurück funktioniert. Einen Link für ein Aufarbeitungs/Erinnerungsprojekt findet ihr am Ende des Posts! Für diese etwas hatscherte Aufarbeitungskultur leider symptomatisch: Die Rebsorte wurde im Jahr 1975 im Zuge der Qualitätsweinrebensorten-Verordnung nach ihrem Erfinder benannt. Das war, wohlgemerkt, 30 Jahre nach Kriegsende. Die nationalsozialistische Vergangenheit Österreichs, die Gräueltaten dieser Ideologie waren zu diesem Zeitpunkt hinreichend bekannt. Da hätte man sich auch einen anderen, weniger oder im Idealfall: gar nicht nationalsozialistisch anmutenden Namen überlegen können. Auf großen Seiten wie der von Österreich Wein finden sich übrigens unter “Zweigelt” auch heute, 2018, keine Information zu den politischen Verstrickungen des Namensgebers. Ehrlich gesagt, warum nicht den Zweigelt umbenennen? Ich sehe nichts, was dagegen sprechen würde, zumal der ursprüngliche Name der Rebsorte ja ohnehin ein anderer – nämlich Rotburger – war.
Die Rebsorte
Falls ich euch jetzt den Genuss von Zweigelt verdorben habe – das war natürlich nicht meine Absicht. Der Wein kann ja nichts dafür. Also zur Rebsorte selbst: Beim Zweigelt handelt es sich um eine recht robuste Rebsorte – Wind und Wetter sowie Rebkrankheiten können ihr nicht so schnell etwas anhaben. Zweigelt wird wohl auch deshalb so gerne angebaut, weil sich mit Zweigelt einfach viel ausgeht: Da kann man für jede Expertises und jedes Geldbörsel was bauen. Sowohl Weine, die nicht in Holzfässern ausgebaut werden und jung getrunken werden, und große Weine, im Holzfass ausgebaut und mit langer Lagerfähigkeit. Letztere werden vor allem in Carnuntum und rund um den Neusiedlersee gemacht. Allerdings, gibt es auch in anderen, zweigelt-untypischeren Regionen Winzer_innen, die Zweigelt anbauen – Christian Fischer in Sooß beispielsweise meistert den Zweigelt in verschiedenen Lagen, dass es eine Freude ist. Sortentypisch ist ein voller Körper und eine gewisse Fruchtigkeit. Je nachdem kann man auch Vanille erriechen oder Cassis, manchmal sogar pfeffrig-würzige Noten; geschmacklich sind reife Kirschen oder Weichseln dominant, manchmal auch Zwetschken. Im Idealfall ist er samtig, saftig und eben fruchtig.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein feiner Wein, wenn er gut gemacht ist. Und natürlich braucht man nicht aus political correctness-Erwägungen auf Zweigelt verzichten. Kann man natürlich, so wie Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer das tut. Aber vielleicht ist jedes Glaserl Zweigelt eine gute Erinnerung an unsere persönliche und gesellschaftliche Verantwortung.
Zum Weiterschauen bzw Weiterlesen:
Doku “Zweigelt – Wein und Wahrheit” von 3Sat auf YouTube
“Professor Zweigelt – Züchter und Züchtiger”, Artikel auf falstaff.at
“Zweigelt”, beim internationalen Kunstsymposion WeinART in Poysdorf auf erinnern.at